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Waldhorn, Alphorn, Matterhorn - Liebe auf den ersten Ton

Nachgefragt bei: Kerstin Appenzeller, Horn- und Alphorn-Spielerin

Das Waldhorn wartet auf seinen nächsten Einsatz (Bildrechte: MBO)
Das Waldhorn wartet auf seinen nächsten Einsatz (Bildrechte: MBO)

Interview-Reihe des Modernen Blasorchesters Oppau (MBO) 

 

Hallo Kerstin. Du spielst seit der Gründung des Orchesters vor nun fast zehn Jahren Waldhorn im Modernen Blasorchester Oppau. Wie kam es dazu?

Angefangen habe ich ganz klassisch mit der Blockflöte. Aber ich wollte schon, seit ich denken kann, Posthorn lernen. Und das ähnlichste von den Orchesterinstrumenten war eben das Waldhorn. Der weiche Klang und die elegante Form haben mir einfach gefallen. In der städtischen Schülerkapelle meiner Heimatstadt bekam ich damals als Neunjährige kostenlos Unterricht mit der „Verpflichtung“, später auch im großen Orchester und bei Auftritten mitzuwirken - was ja aber für mich gar keine Verpflichtung war, sondern genau das, was ich machen wollte: Zusammenspielen, Auftritte haben und gemeinsam wegfahren. Dort habe ich also das Waldhorn blasen von Grund auf gelernt. Zusätzlich habe später auch noch in verschiedenen Musikvereinen gespielt, war also musikalisch schon immer sehr aktiv. 

Durch mein Studium bin ich dann nach Mannheim gekommen. Leider hatte ich nach dem Studium für etwa zwei Jahre mit dem Spielen pausiert. Dann habe ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber am schwarzen Brett eine Anzeige gesehen, dass Musiker für ein neu zu gründendes Orchester gesucht werden, weil der Verein „Spielmannszug Kurpfalz 1956 e.V.“ sich umstrukturieren wollte. Eine Bekannte, welche selbst Klarinette spielt, hat mich dann auch gleich mit zur zweiten Probe des MBO genommen.

 

Wie war für Dich der Neubeginn nach 2 Jahren Spielpause?

Vom fehlenden Ansatz her natürlich erst einmal schwer. Aber dadurch, dass das Orchester gerade frisch gegründet wurde, fingen alle anderen Musiker ja auch gerade neu oder wieder erst an. Ich konnte also mit dem Orchester zusammen reinwachsen ins Musikmachen. Außerdem musste ich kein Repertoire lernen und konnte auf meine bisherige Orchestererfahrung aufbauen. Und der Dirigent hat sich gefreut, dass er gleich ein Horn dabeihat, denn das ist ja auch nicht selbstverständlich für viele Vereine. 

 

Was bedeutet Dir das MBO? Du bist dort ja sehr engagiert im Vorstand und als Pressewart.

Ich habe die Anfänge des MBO miterlebt und bin so in das Orchester hineingewachsen und zusammen mit dem Orchester gewachsen. Durch die ausgeprägte Willkommenskultur, die gute Gemeinschaft, die hervorragende Organisation (ok, die kam erst mit den Jahren dazu) und auch die direkte Oppauer Mentalität, die mir als Badnerin sympatisch ist, habe ich mich von Anfang an sehr wohl gefühlt. Im MBO treffen sich viele Menschen, die nicht nur musikalisch auf einer Wellenlänge sind, sondern auch das gleiche Ziel haben, angenehm und herzlich sind. Das hat sich über die letzten zehn Jahre sehr gut entwickelt. Daran ist auch unser Dirigent maßgeblich beteiligt, der sehr engagiert ist und ein gutes Händchen dafür hat, wie weit er uns noch fordern kann und was beziehungsweise welche Musik er uns „zumuten“ kann. Denn gerade dadurch sind wir auch musikalisch sehr gewachsen. Und das macht sehr viel Spaß, immer besser zu werden und anspruchsvollere Stücke zu spielen.

Nachdem ich anfangs erstmal einfach nur mitgespielt habe, habe ich mich dann irgendwann in die Vorstandschaft wählen lassen, weil ich dadurch auch den Verein mitgestalten kann. Es gefällt mir, durch die Pressearbeit dafür zu sorgen, dass viele Menschen zu unseren Konzerten kommen. Unser Orchester macht tolle Musik und hat Freude daran, die ich gerne anderen vermitteln möchte. Gerade Leute, die sinfonische Blasmusik noch nicht kennen, überzeuge ich gerne davon, sich uns anzuhören.

 

Welche Rolle spielt Musik in Deinem Leben?

Da kann ich nur John Miles zitieren: „Music was my first love!“ Als ich nach dem Studium die zwei Jahre pausiert hatte, habe ich gemerkt, dass mir die Musik und das Zusammenspielen definitiv fehlten. Man kann zwar sein Instrument auch alleine zu Hause spielen, aber gerade das Horn gehört in eine Gruppe, in der man mehrstimmig spielen und sich gegenseitig im Klang ergänzen und unterstützen kann. 

Außerdem hatte ich durch mein Instrument nach jedem Umzug immer schnell Anschluss gefunden – anders als vielleicht in einem Fitnessstudio. Musik ist eben ein sehr verbindendes Thema, und Musiker sind nach meiner Erfahrung auch ganz spezielle Leute, die einen schnell aufnehmen.

Durch die Musik konnte ich auch immer wieder verreisen. So war ich schon 1999 mit der städtischen Schülerkapelle beim internationale Blasmusikfestival in Prag, später bei der „Maschendrahtzauntournee“ in Halle, Leipzig und Dresden auf Orchesterreise oder erst vor kurzem privat auf einem Alphorn-Jazz-Workshop in Zermatt. 

 

Dem Horn sagt man nach, dass es besonders schwer zu spielen ist. Was ist da dran?

Es gibt ja den bekannten Witz: „Das Horn ist ein göttliches Instrument – man spielt rein, und nur Gott weiß, welcher Ton rauskommt“. Das liegt an der Bauart und an der Stimmung. Das F-Horn hat die Naturtöne in der Höhe besonders eng zusammen. Das bedeutet, man kann sehr schnell in der Lage verrutschen. Daher ist es so schwierig, den richtigen Ton zu treffen. Das bringt bei einigen Spielern so viel Frustration, dass sie aufhören, Horn zu spielen oder zu einem anderen Instrument wechseln.

 

Verrätst Du uns, was Hornspieler eigentlich mir ihrer rechten Hand im Horn machen?

Eigentlich halten wir damit einfach nur das Horn, indem wir es auf der Hand aufstützen. Fast automatisch wird damit aber auch den Ansatz modelliert, je nachdem wie man das Horn abstützt. Sogar die Intonation können wir Hornisten mit der Hand regulieren, statt unbedingt gleich am Stimmbogen zu ziehen. Dann gibt es noch besondere Techniken wie das „Stopfen“. Wenn man mit der Hand das Rohr fast verschließt, wird der Ton dumpfer und verändert sich in der Tonhöhe. Damit kann man dann Zwischentöne spielen, die früher, als das Horn noch keine Ventile hatte, nicht spielbar waren. Das Schwierige beim Stopfen ist, dass ich den Ton vom Ansatz her verändern muss, um damit die veränderte Tonhöhe auszugleichen. Man muss also vorher eine genaue Klangvorstellung haben, wo man hinwill. 

 

Wie würdest Du die Rolle des Horns im Orchester beschreiben?

Das Horn wird oft als die Seele oder das Herz des Orchesters bezeichnet. Als ich Dominique, unseren Dirigenten, gefragt habe, warum bei uns im Orchester die Hörner von der Aufstellung her in der Mitte sitzen, sagt er, dass die Hörner eine verbindende Rolle haben: Sie verbinden sowohl die hohen mit den tiefen Registern sowie Blechbläserklänge mit den Holzbläsern. Das Besondere ist, dass das Horn mit seinem Trichter von den Zuhörern weg spielt. Auch deshalb empfindet das Publikum den Klang der Hörner viel weicher als den Klang der Trompeten, welche dem Zuhörer direkt entgegenspielen. Außerdem können Hörner einen unheimlich schönen musikalischen Teppich im Orchester auslegen. Hörner haben oft sehr schöne Solostellen. Und besonders, wenn es romantisch oder dramatisch wird, sind die Hörner auf jeden Fall mit dabei. Und da wir im MBO hauptsächlich sinfonische Literatur, die klanglich an moderne Filmmusik erinnert, spielen, kommt der Hornsatz meist um das ungeliebte, aber notwendige Nachschlagspielen herum, wie es vielen „Blaskapellen“ häufig vorkommt. 

Mit Alphorn vor dem Matterhorn (Bildrechte: K. Appenzeller)
Mit Alphorn vor dem Matterhorn (Bildrechte: K. Appenzeller)

Du spielst außer dem Waldhorn auch noch Alphorn. Wie groß muss denn eine Wohnung sein, um darin Alphorn spielen zu können?

Mein F-Alphorn ist eigentlich genau so lang wie mein Waldhorn, nur eben ausgestreckt und nicht aufgewickelt. Das sind etwa 3,60 Meter. Eigentlich ist das Waldhorn ja auch nichts anderes als ein Alphorn aus Blech, es ist ja quasi ein Vorläufer der Blechblasinstrumente. Aber ich übe in der Wohnung gar nicht, sondern immer nur draußen – meist in der Gruppe, weil das Alphorn einfach in die Natur gehört. Zu Hause mache ich nur Mundstückübungen, um den Ansatz zu erhalten.

 

Was ist das Besondere am Alphorn? 

Auf dem Alphorn kann man nur Naturtöne spielen, da es keine Ventile hat. Es besteht eigentlich nur aus einem langen Stück hohlem Holz, welches am unteren Ende etwas gebogen und geweitet ist. Ursprünglich wurde es aus Fichten gebaut, welche schräg am Hang wachsen und genau diese Trichterform am Ende haben. Die Schweizer Alphörner sind übrigens etwas kürzer und damit einen Halbton höher gestimmt – vielleicht haben die Schweizer kleinere Bäume?

Der Klang des Alphorns ist übrigens noch weicher als beim Waldhorn. Und es unterscheidet sich vom Klang: Das „F“ des Alphorns ist kein reines „F“, aber auch kein „Fis“, sondern ein sogenanntes „Alphorn-Fa“. Das kann dann, besonders zusammen mit einem Orchester, ungewohnt für unsere Ohren klingen. 

Alphorn-Spielen ist für mich Entspannung pur, fast schon meditativ. Man spielt es draußen. Mit der richtigen Haltung für eine freie Atmung stehe ich also mitten in der Natur. Da es beim Alphorn nur eine „Tonart“ gibt, muss man sich keine Gedanken über die Vorzeichen und Griffe machen. Man braucht nur eine Klangvorstellung, die man umsetzen will.  

 

Wie kamst Du ausgerechnet zum Alphorn? 

2016 habe ich auf einem Konzert den Alp- und Waldhornisten Martin Roos mit seinem Alphorn als Solisten bei Dominiques Verein in Binswangen gehört. Im Anschluss beim gemeinsamen Essen dann saß ich mit Martin und den Vereinshornisten in der Pizzeria am Tisch, so dass ich ihn ganz unkompliziert einiges zum Alphorn fragen konnte. Eine Dirigentin, die selbst Alphorn spielt, hat mich daraufhin mal in ihr Alphorn blasen lassen, und es war Liebe auf den ersten Ton. Ich hatte zuvor immer gedacht, es gibt nichts Schöneres als mein Waldhorn. Aber das Alphorn war noch einmal viel weicher vom Klang. Da habe ich mein Urlaubsgeld genommen und mir ein Alphorn gekauft: Auch beim Aussuchen konnte ich mich auf mein Gefühl verlassen und habe ein für mich passendes Modell gefunden.

 

Wo kann man denn bei uns im Südwesten Deutschlands Alphorn spielen lernen? Und wo findet man Gleichgesinnte?

Zu Beginn bin ich nach Bayern zu einem Alphornkurs von Martin Roos gereist. Das war so ein tolles Erlebnis, dass ich das seitdem jedes Jahr mache. Dieses Jahr bin ich bei Eliana Burki, einer Schweizer Jazz-Alphornistin „fremdgegangen“ und habe bei ihr einen Alphornkurs besucht. Diese Workshops sind mein jährliches Highlight: Spielen in der freien Natur mit tollen Mitmusikern, einfach Urlaub für die Seele! 

Kontakte zu anderen Alphornspielern findet man über diese Workshops oder über den Bund Deutscher Blasmusik, dort gibt es auch Schnupperkurse. Und es gibt relativ viele Regionalgruppen. Ich war zum Beispiel schon beim Baden-Württembergischen Alphornbläsertreffen in Mosbach. Da kamen die Gruppen zwar auch von weit her, aber halt auch aus der Region. Ich spiele bei den Pfälzer Alphornbläsern mit und in einem Quartett, den „Bergsträßer Alphornetten“. 

 

Was würdest Du jemandem sagen, der sich überlegt, ein Instrument zu neu zu lernen – warum lohnt es sich?

Weil die Musik und die Gemeinschaft in einem Orchester oder Ensemble einem sehr viel gibt. Es ist übrigens nie zu spät, mit einem Instrument zu beginnen; man kann immer anfangen! Früher hatte ich immer Angst vor Lehrern oder Dozenten. Aber bei den Musikern habe ich das anders erlebt: Die wollen Dir etwas Gutes tun, sie wollen, dass Du besser wirst. Das ist nicht wie eine Prüfung, sondern es entwickelt sich. Man arbeitet zusammen und freut sich dann gemeinsam an den Fortschritten. Wenn jemand anfangen will, würde ich auf jeden Fall empfehlen, sich einen Lehrer zu suchen oder zumindest eine Gruppe oder einen Duettpartner. Denn ganz alleine weiß ich nicht, ob man dann wirklich zu einem lebendigen Musiker wird.

 

Was möchtest Du anderen Musikern noch mit auf den Weg geben?

Ich kann anderen Musikern nur ans Herz legen, auch mal in anderen Orchestern, zum Beispiel als Aushilfe oder in einem weiteren Verein mitzuspielen. Denn es ist einfach schön, zusammen zu musizieren und dabei auch andere Strukturen, andere Dirigate und Musikstile kennenzulernen. Oder auch den Mut haben, an einem Workshop oder Musik-Woche neue Erfahrungen und Kontakte zu sammeln. Wie gesagt, mein erster Alphorn-Workshop in 2017 hat mir da Welten offenbart, und so habe ich mich 2019 auch alleine auf die „Schwarzwälder Horntage“ getraut.

 

Vielen Dank, Kerstin, für das Gespräch!

Abschlusskonzert des Alphornworkshops in Polling (Bildrechte: K. Appenzeller)
Abschlusskonzert des Alphornworkshops in Polling (Bildrechte: K. Appenzeller)